Schwäbische Zeitung vom 30. Dezember 2002
Bad Waldsee / Baindt – An der Musikschule Ravensburg war Sayaka Schmuck aus Bad Waldsee-Gaisbeuren ebenso Schülerin von Ladislaus Vischi wie die Baindterin Bettina Faiss. Beide Klarinettistinnen gewannen – wenn auch zeitversetzt – erste Preise beim Bundeswettbewerb von »Jugend musiziert«. Jetzt trafen sich beide wieder im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, allerdings in unterschiedlichen Funktionen.
Von unserem Redakteur Anton Wassermann
Während die 28-jährige Baindterin hier seit April 2000 als Zweite Klarinettistin fest angestellt ist und sich in einem Probeverfahren für die freigewordene Stelle eines der beiden Solo-Klarinettisten befindet, hat die 22jährige Waldseerin den Start in eine Profikarriere erst noch vor sich.
Allerdings ist die Musikstudentin diesem Ziel seit Ende September einen wichtigen Schritt näher gekommen. Am 27. September ergatterte sie sich bei einem Vorspiel unter internationaler Konkurrenz den einzigen Klarinetten-Platz an der Akademie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Das bedeutet, daß sie nicht nur zwei Jahre lang kostenlosen Unterricht beim ersten Soloklarinettisten dieses internationalen Spitzenorchesters erhält und in dieser Zeit kostenfrei im Haus dieser Akademie zusammen mit 17 weiteren Stipendiaten wohnen kann, sondern auch ein regelmäßiges Mitwirken bei Proben und Konzerten. Dabei darf sie unter Stardirigenten wie Lorin Maazel, Sir Colin Davis oder Riccardo Muti musizieren – und dies in einem Kreis erlauchter Profis, denn viele Bläserstellen dieses Orchesters sind mit internationalen Stars besetzt.
Profimusikern wird häufig Arroganz nachgesagt. »Das kann ich ganz und gar nicht bestätigen«, sagt die junge Studentin aus der oberschwäbischen Provinz: »Wir Akademie-Mitglieder werden von den Orchesterleuten sehr freundlich und kollegial behandelt. Hier herrscht ein menschlich sehr angenehmes Klima.«
Orchestererfahrung hat Sayaka Schmuck bereits in zahlreichen internationalen Jugendorchestern gesammelt. Doch mit dem, was sie jetzt in München erlebt, sei das nicht vergleichbar: »In Jugendorchestern spielt zwar jeder mit riesigem Elan. Das wird auch in den individuellen Bewegungen beim Spiel sichtbar; aber der Gesamtklang kommt darüber zu kurz. Das ist bei einem so hochkarätigen Sinfonieorchester wie dem des Bayerischen Rundfunks ganz anders. Hier herrscht ein sehr homogenes Zusammenspiel, in dem man wie ein Schiff in einem großen Strom förmlich getragen wird. Das hilft auch, das eigene Lampenfieber zu beherrschen bei einem Konzert, das live im Rundfunk oder Fernsehen übertragen wird.«
Die Arbeit an der Akademie in München möchte Sayaka Schmuck auch nicht vergleichen mit ihrem Studium an der Musikhochschule in Weimar, auch wenn sie dort ein Jahr lang bei einem hochkarätigen Orchestermusiker Unterricht hatte: bei Martin Spangenberg, erster Soloklarinettist bei den Münchner Philharmonikern. Spangenberg stammt übrigens aus Wangen. Als Musiker ist er in der Region mindestens so bekannt wie sein Vater als Kommunal- und Kreispolitiker der Grünen. »Die Ausbildung in der Akademie ist ganz speziell auf die Orchestertätigkeit ausgerichtet, die ich ja anstrebe. An der Musikhochschule spielen hingegen noch andere Bereiche eine wichtige Rolle«, sagt Sayaka Schmuck.
Wie es nach den zwei Jahren in München bei ihr weitergeht, ist noch völlig offen. Die Waldseerin könnte sich eine Rückkehr nach Weimar durchaus vorstellen, weil sie ihren dortigen Lehrer sehr schätzt. Denkbar ist aber auch, daß sie aus der Akademie heraus ihr Berufsziel direkt ansteuert. Auch Bettina Faiss hatte sich noch während ihres Musikstudiums auf die Stelle beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks beworben. »Das hat den Vorteil, dass man noch von einem Lehrer auf das Probespiel vorbereitet und während des Auswahlverfahrens betreut wird«, erinnert sich die Baindterin. Erfolg hatte damit bereits in den 80er Jahren der Wahl-Baienfurter Rudi König. Er schloß sein Studium in Trossingen erst ab, nachdem er bereits mehrere Jahre seine Stelle als zweiter Klarinettist beim Radio-Sinfonieorchester des SDR (heute SWR) in Stuttgart hatte.