Südkurier vom 24. September 2001 zur »Fledermaus«-Premiere
Kultur in der Region
Die Ravensburger Jugendmusikschule bringt zum 30. Geburstag die »Fledermaus« auf die Bühne
Mit Frack, Zylinder und wehendem Schal, das Parfum sprüht heftig bis an die Schuhsohlen: »Jetzt duft ich, jetzt verduft ich!«, dröhnt der Lebemann eroberungsgewiss. Hahaha. Gleich blamiert er sich. Und alle wissen es. Das nennt sich Revanche – seines Freundes Falke, dem er einmal übel mitspielte und bis heute stolz darauf ist.
Amouröse Kapriolen des 19. Jahrhunderts, Charme und charmante Bösartigkeit. Nicht umsonst ist die »Fledermaus« von Johann Strauß seit über 100 Jahren eine der beliebtesten Operetten überhaupt. Grund genug für die Ravensburger Jugendmusikschule, sie sich als Jubiläumswerk vorzuknüpfen. Zu feiern gab es gleich zwei Anlässe: 30 Jahre Musikschule und die zehnte Produktion unter der Leitung von Regisseur Kuno Falk und Musikdirektor Lutz Eistert. Ein eingespieltes Team. Bei der Programmwahl beteiligt war schließlich noch ein Dritter: Der Hauptsponsor, der Geschäftsführer der Firma Wäschle, geht in Ruhestand und wünschte sich einmal eine Operette in Ravensburg. Gewünscht, erfüllt.
Und viel, viel gearbeitet. Wie viele Stunden alle 110 Akteure tatsächlich mit den Vorbereitungen verbracht haben, ist nur erahnbar. Herausgekommen ist jedenfalls eine sehens- und hörenswerte Produktion voller beindruckender Leistungen, allen voran das Jugendsinfonieorchester. Zwar tasteten sich die Streicher in die heikle Ouvertüre noch etwas hinein, wurden dann jedoch zunehmend beherzter und zur tragenden Säule des Bühnengeschehens. Kompliment an die sauber intonierenden Bläser, die sämtliche Tonklippen sicher umschifften. Die Streicher schufen einen stimmungsvollen und voluminösen Klangkörper. Rührende Walzerseligkeit.
Auf der Bühne das rauschende Fest mit spritziger Tanzeinlage (Ballettschule Berna Uythof). Traditionelle, prachtvolle Kostüme (Suzana Kneip) – dem Stuttgarter Fundus entliehen – und ein farbenfrohes opulentes Bühnenbild (Peter Kohler) schufen echte Salonatmosphäre. Elisabeth Christine Daiker gab ihrer Soubrettenrolle Adele, dem wandelbaren Stubenmädchen, viel Esprit und beeindruckte mit ihren schillernden Koloraturen. Nur gelegentlich trat die Textverständlichkeit in den Hintergrund. Auch ihre Schülerin Tanja Kibele als Ida zwitscherte sich kess und gewandt durchs Geschehen. Meisterlich gelang Astrid Marie Lazar ein bruchloser Czardas, ihre Visitenkarte als maskierte ungarische Gräfin, wenngleich sie tatsächlich doch nur die gestrenge und abtrünnige Ehefrau unseres Eisenstein ist.
Ausgeteilt hat die falschen Karten und Rollen Dr. Falke (Steffen Balbach mit klangvollem und wendigem Bariton), der sich für eine vergangene Schmach an seinem Saufkumpan rächen möchte. Musste er doch nach durchzechter Nacht im Fledermauskostüm durch ganz Ravensburg (wo sonst) heimlaufen. Schadenfreude allerorten, amüsiertes Gelächter.
Ulf Gloede überzeugte als ausgetrickster Tunichtgut ebenso wie der artikulationsfreudige Gefängnisdirektor Frank (Raphael Schwarzer). Herrliche Persiflagen boten der Tenor Martin Hostettler (Alfred) und das enfant terrible, Gefängniswächter Frosch. Allzeit trinkbereit. Beim Chor – Mitglieder des Jugendkammerchores, des Singkreises und der Chorgemeinschaft Grünkraut – war zwar der Text gelegentlich früher fertig als die Musik, insgesamt trug er aber zum prachtvollen Bild bei.