Schwäbische Zeitung vom 18. Juni 1996 zum Festakt am 15. Juni
Das Festkonzert der Musikschule übertraf alle Erwartungen – Akustik der Oberschwabenhalle gut gemeistert
Ravensburg – Festakt, Feierstimmung, Lobreden – das muß natürlich sein, wenn die Musikschule Ravensburg 25 Jahre alt wird. Wirklich feiern aber kann man das nur mit viel Musik – da heißt es »Farbe« bekennen. Um es vorweg zu verraten, das Festkonzert am Samstag in der Oberschwabenhalle übertraf alle Erwartungen.
Mit fulminantem Auftakt ging es los. Furios und mit bestechend klar pulsierendem Rhythmus brach Katchaturjans »Säbeltanz« über das Publikum herein, und zwar in einer Bearbeitung für Percussion, einstudiert und geleitet von Günter Kamp. Danach gesellte sich eine ganze Reihe junger Spieler zu den versierten Percussionisten. Mit dem Stück »Adalita« führten sie vor, wie locker und leicht, aber auch melodisch lateinamerikanische Rhythmen sein können; ein Hauch von Trinidad durchwehte die Halle.
Für das folgende Sinfoniekonzert hatte Musikdirektor Lutz Eistert auf schwelgende Melodik gesetzt, und die Mitwirkung von zahlreichen Ehemaligen, die so ihre anhaltende Verbundenheit mit der Musikschule bewiesen, ermöglichte ein Klangerlebnis von hohem Rang: 123 Musiker standen zu Gebote. Gewiß nicht zu viel, schon Mozart und Beethoven träumten von solchen Möglichkeiten. Die ideale Aufstellung des Orchesters mitten in der akustisch sonst so problematischen Halle tat ein übriges. Selbst für den Solisten konnte man auf deformierende Klangverstärkungen verzichten.
Tschaikowskys Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 b-Moll op. 23 gilt als eines der schwierigsten Werke der Literatur, und Nicolaj Rubinstein, dem es gewidmet war, lehnte es als unspielbar ab. Insofern war Lutz Eisterts Skepsis begründet, wenn er das Werk vorsichtshalber mit den Worten ankündigte: »Jetzt kann es spannend werden.« Spannend wurde es dann auch, aber in anderem Sinn. Wie der sensible, eher schmächtige Oliver Sauer das Werk souverän meisterte und sich gegen das Riesenorchester behauptete, war ein packendes Erlebnis.
Die subtile Tongebung und Klangmischungen des Solisten wurden nie vom Orchester zugekleistert; kräftigstes Fortissimo des gesamten Klangapparats wußte er noch wirkungsvoll zu steigern, virtuos türmte er die Akkorde und Arpeggien zu gewaltigen Gewitterwolken. Dabei hörte sein Flügel nie auf zu singen. Am Anfang vielleich noch eine Spur zu nervös, fand er aber spätestens beim Einsatz des zweiten Themas im ersten Satz jene romantisch-träumerische Gelöstheit, die ihm das gewaltige Werk aus einem Guß gelingen ließ.
Kaum zu glauben, wie das fast nur aus Schülern bestehende Orchester jenen Klangbrei mied, den manches professionelle Provinzorchester serviert; es herrschten Durchsichtigkeit, Geschlossenheit der Instrumentengruppen und hervorragende Ausgewogenheit des ganzen Klangkörpers. Zu Beginn des dritten Satzes (con fuoco) fehlte es etwas an Feuer, doch dann ließen sich alle vom slawischen Tanzrhythmus mitreißen, die Melodien strömten dahin und endeten in einem einzigen Klangrausch.
Der Hörer auf der Tribüne ahnt nicht, wie prekär das scheinbar selbstverständliche Zusammenspiel ist; er weiß nicht, daß die Instrumentengruppen sich gegenseitig kaum hören. Wie Lutz Eistert das alles zusammenhält, ist sein Geheimnis, ebenso die geglückte Dosierung des schwelgerischen Klanges. So auch bei Friedrich Smetanas symphonischer Dichtung »Die Moldau«. Vorteilhafte Wirkung erzielte Eistert dadurch, daß er hier die Hörner nach vorne vor die Bratschen setzte. Der fast kammermusikalische Beginn zeugte vom überragenden Können der Flöten, dann aber auch der übrigen Holzbläser. Den Streichern gelang das Auf- und Abschwingen des ersten Themas besonders lebendig – wer behauptet da noch, slawische Musik könnten nur slawische Orchester spielen! Hurtiger Polkarhythmus des dahineilenden jungen Flusses, atemberaubende Crescendi, überzeugende Tempodehnungen, elegische Streicherpassagen, unterlegt von federleichten Bläserfiguren, schließlich der triumphale Siegeszug des Hauptthemas, die kurze Rückkehr zur Stille und die abrupt abschließenden Akkorde: man kannte das zwar alles, aber glaubte es hier neu zu hören. Zuviel des Lobes? Gewiß ist nicht jedes Konzert des Musikschulorchesters bisher rundum geglückt. Aber dies war mit Sicherheit eine Sternstunde.
Weiter ging’s von der Moldau an die Donau. Auch hier ein vergleichbares Ereignis: Frisch und geschmeidig erklang der Walzer von Johann Strauß. Ja, man vermeinte sogar jene so wienerische Raffinesse herauszuhören, bei der das zweite Viertel im Takt an das erste kaum merklich heranrückt.
Das Fest für die Ohren ergänzte sich bei diesem Walzer durch eines für die Augen. Tänzer und Tänzerinnen der Tanzschule Desweemèr wiegten sich im geschmeidigen Walzerschritt, bei dem die langen Gewänder der jungen Damen besonders wirkungsvoll schwingen konnten. Das Publikum klatschte begeistert im Takt, und besonders Glückliche wurden von den Tänzern aus der Menge geholt, um mitzuschwingen. Damit war der Übergang zum letzten Teil des Abends geschaffen, zum Ball mit Rolf Frambachs Big Band der Musikschule Ravensburg.