Jugendsinfonieorchester Ravensburg

Schwäbische Zeitung vom 6. Mai 1996 zum Konzert am 3. Mai

Jugendsinfonieorchester der Musikschule gastiert im Welfensaal mit zwei Werken von Mozart und der ersten Sinfonie von Richard Strauss

Ein Orchester im Umbruch mit etlichen kommenden Leistungsträgern

Weingarten – Wenn die Musikschule Ravensburg mit ihrem Jugendsinfonieorchester regelmäßig im Welfensaal des Kultur- und Kongreßzentrums ein repräsentatives Konzert gibt, dann tut sie es nicht allein deswegen, weil ihr die Maschinenfabrik Waeschle mit ihrem Kultursponsoring dies finanziell ermöglicht. Solche Präsenz in der Nachbarschaft soll auch eine Anerkennung dafür sein, daß die Stadt Weingarten einen erheblichen Teil des Zuschußbedarfs übernimmt, der sich aus dem Anteil der Musikschüler aus Weingarten errechnet. Im Jahr des 25jährigen Bestehens der Musikschule hatte deren Leiter Lutz Eistert mit dem Jugendsinfonieorchester zwei Werke von Mozart, die Ouvertüre zur Oper »Die Zauberflöte« und das Konzert für Flöte und Orchester Nr. 1 G-Dur, sowie die Sinfonie Nr. 1 d-Moll von Richard Strauss einstudiert. Nach den Sommerferien wird im Ravensburger Konzerthaus eine komplette Inszenierung der »Zauberflöte« folgen.

Jugendorchester, zumal solche, deren Mitglieder im Regelfall mit dem Abitur ausscheiden, sind einer sehr starken Fluktuation unterworfen. Phasen des höchsten Leistungsvermögens folgen Zeiten, in denen wieder behutsam aufgebaut werden muß. In einem derartigen Umbruch befindet sich das Jugendsinfonieorchester der Musikschule derzeit zumindest in Teilen. Zum Glück kann Lutz Eistert bei einigen Besetzungen auf bewährte ehemalige Schülerinnen und Schüler zurückgreifen. Das ermöglicht es ihm auch, in der Programmauswahl ein einigermaßen gleichbleibend hohes Niveau beizubehalten.

In der Ouvertüre und auch im anschließenden Flötenkonzert gefielen vor allem die ersten Geigen und die Celli durch klangliche Geschlossenheit und präzise Phrasierung. Ihr Spiel war ausgesprochen musikalisch und elegant im Ton. Es war wohl eher eine Frage des Selbstbewußtseins als ein spieltechnisches Problem, warum die zweiten Geigen ein wenig gehemmt wirkten, wenn sie in besonderer Weise gefordert waren, etwa bei der heiklen Stelle der Zauberflöten-Ouvertüre, wo sie das zweite Thema anstimmen.

Einen personellen Einschnitt haben derzeit vor allem die Holzbläser zu verkraften, aus deren Reihen in den zurückliegenden Jahren eine größere Anzahl von herausragenden Spielerinnen und Spielern ausgeschieden ist. Bundespreisträger von »Jugend musiziert«, die jede Solostelle mit professioneller Nervenstärke meistern und mit der Routine langjährig aufeinander eingespielter Kammerensembles vergessen lassen, wie diffizil eine saubere Intonation im Zusammenspiel ist, lassen sich – Gott sei Dank – nicht wie Rennpferde züchten. Jugendliche brauchen Zeit und Erfahrung, um zu Höchstleistungen heranzureifen. Für etliche Orchestermitglieder, die in diesem Jahr erstmals mit solistischen Aufgaben betraut waren, bot dieses Konzert eine gute Gelegenheit, daran zu wachsen.

Eine ausgesprochen gute Leistung bot Miriam Jaudas, die den Solopart in Mozarts Flötenkonzert blies. Sie zeigte den Schuß Unbekümmertheit, der dieses Werk so liebenswürdig macht, aber auch ein bemerkenswertes Maß an musikalischer Reife. Spieltechnisch beherrschte Miriam Jaudas ihren Part so souverän, daß sie ihn auch in kleinen Details musikalisch ausgestaltet hat und dies vor einer großen Zuhörerkulisse so umsetzen konnte, daß gleich der Funke auf das Publikum übersprang.

Richard Strauss war nicht viel älter als die meisten Mitglieder des Musikschul-Jugendsinfonieorchesters, als er seine Sinfonie Nr. 1 in d-Moll schrieb. Er betrachtete diesen Erstling später als Jugendsünde und verbot jede Aufführung. Erst nach seinem Tod nahmen die Nachlaßverwalter dieses Verdikt des Meisters zurück. So bot sich Lutz Eistert die Möglichkeit, mit den Jugendlichen ein Werk zu erarbeiten, das ihnen die sinfonische Klangwelt an der Bruchstelle zwischen Spätromantik und klassischer Moderne erschließt, und das dennoch für besonders ambitionierte Laienorchester noch spielbar ist.

Gerade ihre jugendliche Frische und Unbekümmertheit macht den besonderen Reiz dieser Sinfonie aus. Strauss schreibt andererseits Tempi vor, die Nicht-Profis schnell ins Straucheln bringen. Hier ging Eistert vernünftige Kompromisse ein. Das Werk blieb so einigermaßen durchsichtig und behielt dennoch seine sprühende Vitalität. Etliche Mitglieder des Sinfonischen Orchesters Ravensburg, die sich nach mehrwöchigem hartem Ringen mit diesem Werk schweren Herzens eingestehen mußten, daß es ihr Leistungsvermögen übersteigt, zollten den Jugendlichen großen Respekt dafür, wie sie diese schwere Aufgabe gemeistert haben – auch wenn bisweilen erkennbar wurde, daß es ein hartes Stück Arbeit war.


Anton Wassermann; Copyright © 1996 Schwäbischer Verlag, Leutkirch. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.